Wir freuen uns, dass wir Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Schirmherrin für die sechste Wuerzburg Web Week gewinnen konnten. Von 1992 bis 1996 sowie von 2009 bis 2013 war sie Bundesministerin der Justiz. Hier ihr Grußwort.
Die diesjährige Web Week hat sich dem Motto Zukunftsoptimismus verschrieben. Das ist mutig, denn wir erleben turbulente Zeiten mit Kriegen, Konflikten weltweit, mit vielen Veränderungen wegen des Klimawandels, der Digitalisierung und der angespannten Weltwirtschaftssituation. Das fordert die Bürgerinnen und Bürger stark, denn sie müssen jahrelang liebgewordene Gewohnheiten ganz aufgeben oder ihre Lebensgewohnheiten zum Beispiel in Bezug auf ihre Mobilität auf die neue Situation einstellen.
Beschert uns die Digitalisierung Zukunftsoptimismus?
Sie erfasst inzwischen alle Lebensbereiche und enthält viele Entwicklungspotenziale. Künstliche Intelligenz zeigt uns am Beispiel von ChatGPT, einem Chatbot, der mittels künstlicher Intelligenz mit Nutzern über textbasierte Nachrichten und Bilder kommuniziert und mit moderner maschineller Lerntechnologie natürlich klingende Antworten und für ein Gespräch relevante Lösungen generiert, die vielfältigen Unterstützungen unseres Handelns. Das ist ein Vorteil, wenn wir uns dabei bewusst sind, dass es um Unterstützung, nicht um Ersatz menschlichen Schreibens und Handelns geht. Mensch vor Maschine muss uns bei allen technologischen Entwicklungen leiten. Es braucht Transparenz, um die Dimension der technischen Anwendung erkennen zu können, und Kontrolle, um Desinformation und falschen Behauptungen begegnen zu können.
Ja, in der Digitalisierung liegt auch die Chance zu Zukunftsoptimismus.
Verändertes Arbeiten erleichtert die Vereinbarung von Beruf und Familie.
Mehr digitale staatliche Dienstleistungen können Bürokratie abbauen und der Bürgerin und dem Bürger schnellen Zugang zu staatlich gespeicherten Daten ermöglichen. Da gibt es in Deutschland noch viel zu tun, denn die selbstgesteckten Ziele sind längst nicht erreicht. Das zeigt sich mit einem Blick auf das Online-Zugangsgesetz. Von über 400 digitalen staatlichen Leistungen sind nicht mehr als etwas über 200 erreicht, und das variiert von Region zu Region.
Web Week heißt auch, sich mit einer großen Gefährdung digitaler Kommunikation zu befassen, mit Hetze, Hass und der Manipulation über Social Media. Unabhängig von der Dimension ist unstreitig, dass Chatrooms, WhatsApp-Gruppen, andere Begegnungsformate auch Raum für Shitstorms, für Beleidigungen und für Hetze gegen andere bieten. Das ist verletzend, das ist gefährlich, denn Worten kann Gewalt folgen und das geschieht auch. Das kann zur Radikalisierung einzelner, zu Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit führen. Das erleben wir zunehmend auch in Deutschland und das äußert sich in gezielten Beschimpfungen und strafrechtlich verbotenen Beleidigungen von Politikerinnen und Politikern, besonders auf lokaler Ebene. Darin liegt eine Gefährdung unserer Demokratie, wenn ihre Repräsentanten und ihre Familien bedroht und eingeschüchtert werden. Neben polizeilicher Ermittlungen, die nur in geringem Umfang erfolgreich sein können, ist die gegenseitige Unterstützung, die Anerkennung der demokratischen Leistungen und das Gegenhalten im Netz wichtig. Überlassen wir nicht den Feinden der Demokratie diesen öffentlichen Raum, sondern verteidigen ihn. Schauen wir nicht zu, schweigen nicht, sondern nutzen die Chancen der digitalen Kommunikation.
Es gibt Grund zu Zukunftsoptimismus, wenn wir uns des Wertes unserer Freiheitsrechte, unserer Selbstbestimmung und unserer Entfaltungsmöglichkeiten in unserer liberalen Demokratie bewusst sind.
Ich wünsche viele neue Erkenntnisse und interessante Begegnungen, nicht nur digital, sondern auch in Präsenz während der Web Week.
© Foto: Thomas Imo photothek