StellaVent ist ein Private-Equity-Fonds aus Würzburg mit Fokus auf B2B-Softwareunternehmen. Im Interview geht Dr. Julian Lurz, Geschäftsführer von StellaVent, unter anderem auf folgende Fragen ein:
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- warum StellaVent auf Rennpferde statt Einhörner setzt
- in welche Unternehmen sie bereits investiert haben
- warum als Unternehmenssitz bewusst Würzburg gewählt wurde
- wo Julian im B2B-Software-Bereich gerade Potenzial sieht
- wer in StellaVent investieren kann
Show-Notes mit Links
- StellaVent (Webseite)
- godesys AG
- Professor Axel Winkelmann
- ERP-Labor
- Collinor
- sc synergy GmbH (Honesty ist deren Dokumenten-Management-Softwarelösung)
- LinkedIn-Seite von StellaVent
Transkript
Anm.: Gegenüber dem Video wurden einzelne Anpassungen am Text vorgenommen, um den Lesefluss zu erhöhen. Inhaltlich wurde nichts geändert.
Heute zu Gast ist Dr. Julian Lurz, Geschäftsführer des Private-Equity-Fonds StellaVent. Ich habe ihn einfach mal vor die Kamera geholt, weil ich es super spannend finde, dass wir jetzt auch in Würzburg einen – ich nenne es jetzt mal flapsig, was aber nicht stimmt – Wagniskapital-Fond haben. Julian, vielen Dank für deine Zeit und herzlich willkommen!
Herzlichen Dank für deine Einladung.
Fangen wir gleich an. StellaVent investiert konkret im B2B-Software-Unternehmen. Ihr seid auch – das hast du mir im Vorgespräch erzählt – kein klassischer VC-Fonds, die man vielleicht so kennt, Sequoia Capital beispielsweise. Ihr investiert nicht nur in Start-ups. Kannst du es mal kurz konkret machen: In wen investiert ihr?
Wir bezeichnen uns tatsächlich lieber selbst als Private-Equity-Fonds. Das ist in dem Sinne auch ein VC-Fonds, wenn man es ganz genau nimmt. Aber tatsächlich haben wir da doch eine sehr unterschiedliche Philosophie gegenüber den klassischen Start-up-Fonds. Wir beteiligen uns primär an etablierten Unternehmen, auch eher kleineren Unternehmen bis fünf Millionen Euro Umsatz, insbesondere aus der B2B-Softwarebranche.
Woher kommt der Fokus, warum explizit B2B-Softwareunternehmen?
Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Ich werde ein bisschen ausführlicher darauf antworten, weil ich denke, dass das auch für deine Hörer oder Zuschauer interessant sein könnte. Zum einen ist die B2B-Softwarebranche für uns ein extrem spannender Markt.
Wenn wir uns so ein bisschen auf die Entwicklung des Finanzmarkts konzentrieren und auch zurückschauen, dann sieht man, dass wir da eigentlich eine sehr, sehr erfolgreiche Phase erleben. Mittlerweile schon seit 2008, seit der Finanzkrise. Seit 14 Jahren gibt es hier einen sogenannten Bullenmarkt.
Mit anderen Worten: Alle Anlageklassen, mit denen man sich so hätte beschäftigen können, sei es Immobilien, sei es Aktien, Anleihen, Kryptowährungen, aber natürlich auch Unternehmenswerte sind massiv gewachsen. Da konnte man kaum was falsch machen.
Jetzt mehren sich allmählich Anzeichen, dass sich diese extrem positive Stimmung vielleicht drehen könnte. Mit anderen Worten, dass vielleicht dem Finanzmarkt potenziell sogar Geld entzogen wird, ein Bärenmarkt eintritt.
Wir glauben, dass sich der B2B-Softwaremarkt trotzdem weiter positiv entwickeln wird. Erstens, weil sich die allgegenwärtige Digitalisierung weiter fortsetzen wird und nach und nach immer mehr Branchen, immer mehr Unternehmen erschließt.
Das heißt, dieser Markt wächst per se schon. Und gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Unternehmen natürlich besonders gefordert, vielleicht Kosten zu senken, zu konsolidieren. Das gelingt auch heute noch bei vielen Unternehmen mithilfe von Automatisierung. Dabei helfen neue gute Softwarelösungen, was wiederum dazu führt, dass dieser B2B-Markt sich weiterhin positiv entwickeln wird. Zumindest sind wir davon fest überzeugt.
Es gibt noch einen zweiten Grund, und zwar hängt er mit unserem Hintergrund zusammen. Sowohl die Initiatoren dieses Fonds als auch ich sind gewissermaßen Kinder der B2B-Softwarebranche. Wir kennen uns hier sehr gut aus und können deswegen auch entsprechend lohnende Investitionsziele identifizieren, gleichzeitig auch neue Impulse in diese Unternehmen reinbringen und damit Werte für die Investoren schaffen.
Dann greife ich das gleich mal auf. Wer hat StellaVent ins Leben gerufen? Wer ist noch Teil des Teams neben dir?
StellaVent ist entstanden, indem zwei Unternehmerpersönlichkeiten sich gesagt haben: Lasst uns doch mal was zusammen machen. Da ist einerseits der Unternehmer Godelef Kühl, der selbst in der B2B-Softwarebranche unternehmerisch tätig war und vielmehr noch ist. Er hat den ERP-Anbieter godesys AG gegründet und über 25 Jahre hinweg das Unternehmen aufgebaut, sehr erfolgreich gemacht und dann vor zweieinhalb Jahren einen durchaus auch lukrativen Exit hingelegt.
Er hat die Vision, was einmal klappt, klappt zweimal. Das heißt, er möchte diese Erfahrung, die er im eigenen Unternehmen gesammelt hat, auch an andere Unternehmen weitergeben.
Der zweite Initiator ist Professor Axel Winkelmann, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Würzburg und gleichzeitig mein Doktorvater.
Er ist ebenfalls ausgewiesener Experte für genau diesen Bereich, B2B-Software, und unterhält unter anderem auch das deutschlandweit größte Labor für Unternehmenssoftware. Damit kann er natürlich neue Forschungsimpulse, neue Technologien in entsprechende Unternehmen einbringen. Das prädestiniert ihn natürlich auch dafür, in so einem Fonds aktiv zu werden.
Ich bin der Geschäftsführer. Nach meiner Promotion habe ich, ausgehend aus meinen Forschungsergebnissen, selbst ein B2B-Software Start-up, Navibis, gegründet. Das beschäftigt sich mit der Analyse von Daten insbesondere im Hinblick auf Datenqualität. Gleichzeitig habe ich mich begeistern lassen von dieser Vision, einen Fonds aufzubauen, weil ich mich auch persönlich weiterentwickeln möchte und diese Gelegenheit kaum verstreichen lassen konnte.
Dafür bin ich wieder von Aachen nach Würzburg zurückgezogen.
Ich habe mittlerweile auch zwei Mitarbeiter: Anna Mühl, die sich insbesondere als Netzwerk-Managerin versteht und ihre Hauptaufgabe darin sieht, die Unternehmen, auch die Unternehmerpersönlichkeiten weiterzuentwickeln. Außerdem ein Werkstudent namens Lukas Hörner, der uns auch selbst technologisch voranbringt, indem er ein BI-Tool, ein Analyse-Tool zur Messung der Unternehmensentwicklung entwirft und programmiert.
Im Vorgespräch hattest du erzählt, dass ihr bewusst nicht in sogenannte Hyper-Growth-Unternehmen investiert. Du hattest ja auch gesagt, bei euch ist der Cap bei fünf Millionen liegt. Ist es nicht gefährlich, in diese stinklangweiligen Cashcows, wie ich es jetzt mal nenne, zu investieren? In Unternehmen, die nicht jedes Jahr 200 Prozent wachsen?
Ich würde es ganz im Gegenteil als die erfolgsversprechendere Strategie verstehen wollen. Das kann ich aber gerne noch mal ein bisschen ausführlicher erklären. Ein Start-up-Fonds, der in junge Unternehmen investiert, investiert damit auch typischerweise in hohe Risiken. Also gerade Technologie-getriebene Unternehmen müssen in ihren ersten Jahren der Unternehmensexistenz große Schwierigkeiten, große Hürden überwinden.
Mit anderen Worten – das ist statistisch auch belegt – wenn ich in zehn Start-ups, zehn junge Firmen investiere, kann ich davon ausgehen, selbst wenn ich da sehr, sehr genau hinschaue, mir viel Mühe gebe, dass da einige scheitern werden.
Jetzt ist Scheitern ein ganz schlimmes Wort. Die sind nicht zwangsläufig insolvent, aber sie werden vielleicht nicht diese ganz großen kommerziellen Mega-Hits. Dann wird es manche geben, die sich gut etablieren können, profitabel werden im Laufe der Zeit, aber natürlich auch nicht die Renditeerwartungen der Investoren erfüllen. Und dann gibt es die dritte Kategorie, wenn man so will, die mit viel Glück und auch ein bisschen Zufall getrieben, dann zu diesen Hyper-Growth-Unternehmen aufsteigen. Die in sehr kurzer Zeit sehr, sehr starkes Wachstum, vor allem auch finanzielles Wachstum an den Tag legen und damit quasi die aus Sicht des Fonds weniger erfolgreichen Investments deutlich überkompensieren und die Rendite-Erwartungen erzielen.
Diese Philosophie verfolgen wir nicht.
Du hast das gerade Cash Cows genannt. Diese Hyper-Growth-Unternehmen werden ja gerne als Einhörner bezeichnet, und ich mag Einhörner einfach überhaupt nicht. Für mich sind es wie Fabelwesen. Das ist für mich keine gute Investment-Entscheidung, wenn ich auf Glück und Zufall angewiesen bin, um daraus einen Erfolg zu machen.
Ich möchte das stattdessen gerne mit einem planbaren Ansatz angehen, auch mit viel Arbeit und einer guten Auswahl der Unternehmen, aber mit fast schon der Gewissheit, dass die sich positiv entwickeln werden.
Deswegen konzentrieren wir uns auf Cash Cows oder vielleicht auf Deutsch auf Rennpferde. Also mit anderen Worten Rennpferde statt Einhörner. Unternehmen, die aus unterschiedlichen Gründen noch nicht ihr volles Wachstumspotenzial ausgereizt haben. Aber in denen wir dieses Potenzial sehen, in denen wir dieses Potenzial wecken wollen. Auch mit dem Eigenkapital, das ihnen dann zur Verfügung steht, mit unserem Netzwerk, mit unseren inhaltlichen Impulsen, um die Unternehmen zu entfesseln, die sich in ihrem Markt schon etabliert haben.
Das ist der große Unterschied. Die meisten werden dann auch ungefähr um die zehn Jahre alt sein, manche etwas jünger, manche etwas älter, aber durchaus schon etabliert. Profitabel, Cashflow positiv, das sind unsere Kriterien.
Ihr seid ja erst vor Kurzem mit eurem Fonds gestartet. Habt ihr schon in Unternehmen investiert? Wenn ja, kennt man die? Was machen wir? In welchem Bereich sind sie tätig?
Wir haben bereits in zwei Unternehmen investiert, wobei man jetzt formal korrekt sagen muss, die sind noch nicht in dem Fonds. Der Fonds ist noch nicht gegründet. Stattdessen werden sie momentan über andere Investment-Vehicles gehalten.
Einerseits handelt es sich um einen Spezialisten für Projektmanagement-Software namens Collinor. Bei diesem Unternehmen hat uns vor allem die funktionale Reife ihrer Software-Suite überzeugt, die einen beeindruckenden Funktionsumfang und Funktionstiefe mitbringt.
Unternehmen, die im Bereich Projektmanagement tätig sind, erhalten alles, was sie brauchen. Also bis hin zum Multi-Projektmanagement, Portfolio-Management, Innovationsmanagement mit hybriden Projektmanagement und Stage-Gates-Prozessen. Da ist wirklich alles vorhanden. Da hinter steht ein kleines Unternehmen, bei dem wir aber trotzdem großes Wachstumspotenzial sehen.
Außerdem investieren wir in die sc synergy GmbH. Sie bieten mit Honesty eine Dokumenten-Management-Softwarelösung. Aus unserer Sicht können solche Systeme mehr als nur Dokumente managen. Sie sollen eine zentrale Drehscheibe in Informations- oder prozessorientierten Unternehmen werden. Man denke an Kanzleien, Apotheken, Logistiker. Das heißt, bei Unternehmen, die sehr viel mit unterschiedlichen Daten, mit unterschiedlichen Informationen zu tun haben. Mit dieser Investition werden wir den ganzen Dokumenten-Management-Markt neu erfinden.
Ich stelle mir jetzt vor, dass ihr euch ganz viele Unternehmen anschaut, dass ihr den Markt scannt. Was würdest du sagen, welche Bereiche sind gerade spannend? Wo gibt es Potenzial? Wo ist vielleicht auch noch Bedarf? Falls jemand, der jetzt zuschaut, sagt „Mensch, ich wollte schon immer ein Start-up im Bereich B2B-Software gründen.“ Hast du vielleicht einen Tipp, oder was beobachtest du?
Ich glaube, man kann tatsächlich noch in jedem Segment technologischer Vorreiter werden. Viele moderne Technologien, die jetzt an der Uni, in der Wissenschaft schon sehr präsent sind, sind in den meisten Unternehmen oder auch in den meisten Softwarelösungen ganz und gar nicht vertreten oder zumindest nicht ausgereift.
Was ich persönlich sehr spannend finde, sind Anwendungen für Branchen, die tatsächlich bis jetzt noch nicht so weit digitalisiert sind und infolgedessen noch Nachholbedarf haben. Ich denke zum Beispiel an den ganzen Baubereich, an Architekten, Bauplaner, Bauzeichner. Da kenne ich zwei spannende Lösungen auch von Start-ups, wo der Markt noch nicht aufgeteilt ist.
Ich denke zum Beispiel an den Banken- und Versicherungsbereich. Alles Geschäftsmodelle, mit denen auch wir als Endkunden häufig zu tun haben. Wo man aber schnell merkt, es gibt eine Art digitales Frontend, das heißt, eine Homepage, über die man Anfragen stellen kann. Aber spätestens im zweiten oder dritten Prozessschritt, in den Kernvorgängen der Unternehmen, da spielen dann doch Papier, Formulare und Akten und sonst was eine große Rolle. Ich glaube, all diese Unternehmen oder diese Organisationen werden sehr bald gefordert sein, durchgängig digitale Prozesse anbieten zu können. Gerade da können Start-ups noch einen großen Beitrag leisten.
Abschließend noch zwei Fragen. Was mich völlig fasziniert und begeistert hat, ist natürlich, dass du aus Aachen zurückgekommen bist. Und dass StellaVent bewusst in Würzburg geblieben ist, wie du mir im Vorgespräch gesagt hast. Also ihr jetzt nicht, wie man erwarten könnte, nach Berlin gegangen seid oder nach München, Hamburg, sondern bewusst Würzburg. Warum?
Man muss natürlich sagen, dass wir nicht nur in Würzburger Unternehmen investieren können, sondern in Deutschland, wenn nicht sogar europaweit agieren.
Allerdings ist für uns Würzburg wirklich eine Herzensangelegenheit und fast schon ein bisschen eine Analogie zu den Unternehmen, mit denen wir uns beschäftigen. Gewissermaßen auch ein etablierter Standort, der sein Performance-Potenzial, sein Wachstumspotenzial noch lange nicht ausgereizt hat. Dass in den Startlöchern steht. Es wird an vielen Stellen etwas getan. Im Kern das neue KI-Zentrum, CAIDAS, das an der Uni Würzburg entsteht. Die Fachhochschule ist vorne dabei in vielen Themen, auch in der anwendungsorientierten Forschung. Die Start-up-Zentren spiele eine große Rolle, die hier die Infrastruktur bilden.
Wir möchten mit unserem Fonds noch mal eine neue Komponente in dieses Netzwerk hinein geben und entsprechend die IT-Landschaft, die B2B-Softwarelandschaft in der Region mitprägen.
Wunderbar. Die letzte Frage, Julian. Wer kann bei euch investieren? An wen adressiert ihr euren Fonds?
Wir richten uns an sogenannte semi-professionelle Investoren. Menschen, die mit den grundsätzlichen Wirkmechanismen im Finanzmarkt vertraut sind. Die fundiert Investmententscheidungen treffen können und gleichzeitig ein Mindestinvestment in Höhe von 200.000 Euro leisten können.
Insbesondere richten wir uns da an Menschen, die selbst Anknüpfungspunkte an den B2B-Software-Markt haben, die unsere Investitionsphilosophie verstehen, mitverfolgen, auch mitprägen können als Investoren, in einem Investorenbeirat beispielsweise. Das können ehemalige Unternehmer sein. Es können sehr gerne auch aktive Unternehmer sein, die vielleicht in den Markt selbst aktiv sind und sich dann auch entsprechend in unser Investorennetzwerk einbringen wollen.
Das ist noch mal eine Besonderheit, auf die ich sehr viel Wert lege. Unternehmen bekommen von uns ja nicht nur Geld, sondern einen ganz großen Mehrwert durch unser Netzwerk, die Netzwerke der beteiligten Investoren, die mit dem Markt vertraut sind und wissen, was es braucht, um Unternehmen nach vorne zu bringen.
Julian, vielen Dank für deine Zeit! Ich drücke die Daumen, dass ihr es schafft, dass noch mehr Rennpferde aus Deutschland und Europa den B2B-Software-Markt rocken können. Ich bin gespannt, wie es bei euch weitergeht.
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