Das in Würzburg und Schweinfurt ansässige Start-up DyeNA Genetics hat sich darauf spezialisiert, qPCR-Tests für Kläranlagen zu entwickeln. „Wir sind die Einzigen weltweit, die mit qPCR lebende Bakterien im Abwasser nachweisen können,“ so Molekulargenetiker und Gründer Dr. Thomas Benkert im Interview.
qPCR? Ja, genau da klingelt etwas. Das wurde in der Corona-Zeit für Nachweistests verwendet. Die Methode wird inzwischen in vielen Bereichen eingesetzt, neben der klinischen Diagnostik auch im Bereich Lebensmittelanalytik oder Veterinärdiagnostik.
Bevor es zum Interview geht:
Wie genau funktioniert qPCR?
Eine kurze Erklärung hilft, dem spannenden Gespräch folgen zu können.
qPCR steht für quantitaive Polymerase-Kettenreaktion (Polymerase Chain Reaction) und funktioniert wie eine hocheffiziente Kopiermaschine für Gene.
Und wie läuft das ab?
Erkennung: qPCR erkennt spezifische DNA-Abschnitte auf Genen. So lassen sich beispielsweise verschiedene Viren oder Bakterien unterscheiden. Zum Nachweis werden maßgeschneiderte „Gensonden“ verwendet, die wie eine Schablone genau auf die gesuchte DNA-Sequenz passen.
Vervielfältigung: Sobald von den Gensonden die gesuchte DNA gefunden wird, beginnt die PCR, diese milliardenfach zu kopieren.
Nachweis: Bei jeder neuen Kopien wird ein fluoreszierendes Farbstoffmolekül freigesetzt und beginnt zu leuchten. Je mehr Kopien entstehen, desto stärker wird das Fluoreszenzsignal. „Ein schönes Grün übrigens“, laut Dr. Thomas Benkert.
Quantifizierung: Die Stärke des Fluoreszenzsignals zeigt die Menge der ursprünglich vorhandenen DNA.
Hier der erste Schritt visualisiert:
Im zweiten Schritt:
Der große Vorteil von qPCR liegt in ihrer Geschwindigkeit und Präzision. Damit lassen sich innerhalb kurzer Zeit selbst kleinste Mengen spezifischer DNA nachweisen und quantifizieren: von über Corona-Viren, über E.Coli-Erreger in Lebensmitteln bis hinzu Bakterien im Abwasser, um die es jetzt im Interview geht. Darin erfährst du, was das Start-up DyeNA Genetics weltweit so einzigartig macht. #InnovationMadeInWürzburg
Thomas, wie bist du auf die Idee gekommen, qPCR-Technologie in Kläranlagen einzusetzen?
Ich hatte in Frankfurt Biochemie studiert und danach an der Universität Würzburg im Bereich Immunologie promoviert. Im Anschluss habe ich als Entwicklungsleiter unter anderem qPCR-Tests im Industriebereich entwickelt.
Ab 2017 wollte ich dann zurück in die fränkische Heimat, aber weiterhin mit qPCR arbeiten. Dort gibt es aber keine qPCR-Diagnostikhersteller. Also die fragte ich mich: Wo gibt’s noch jede Menge Bakterien und wird qPCR noch nicht eingesetzt? Kläranlagen!
Was macht qPCR in diesem Zusammenhang so besonders?
Kläranlagen sind im Grunde riesige Bioreaktoren. Jede Kläranlage ist einzigartig. Es ist wie ein komplexes Ökosystem, in dem alles miteinander interagiert. Bislang wurde dort die Mikrobiologie hauptsächlich mit dem Mikroskop untersucht.
qPCR ist wie ein Hightech-Mikroskop für die Kläranlage. Damit kann ermittelt werden, wie viele Bakterien von welcher Art vorhanden sind, nur schneller und präziser.
Habt ihr gleich einen Nerv getroffen?
Nein (lacht). Als wir 2018 starteten wusste in der Abwasserbranche niemand, was PCR ist. Wir mussten zudem erst einmal das Labor aufbauen und die ersten Tests entwickeln. Nachdem wir Anfang 2020 so weit waren, kam Corona und hat uns den Zugang zu Kläranlagen enorm erschwert; es handelt sich ja um kritische Infrastruktur, die nicht jeder so einfach betreten darf, schon gar nicht während einer Pandemie.
Was mir dann auch gedämmert ist: Herkömmliche qPCR-Tests können nicht zwischen lebenden und toten Bakterien unterscheiden. Die Betreiber interessiert aber nur, wie viele lebende vorhanden sind. Das war auch der Grund, warum es bis dato keine qPCR für Abwasser gab.
Wie habt ihr das gelöst?
Ich habe eine Methode entwickelt, die qPCR so zu modifizieren, dass sie nur die Lebendzellzahl erkennt. Deswegen heißt unser Verfahren auch Real-Time qPCR, q steht für quantitativ oder Anzahl. Damit sind wir weltweit die einzigen und besitzen darauf ein Patent.
Nehmen wir die Kläranlagen in Winterhausen oder Kitzingen, unsere Paradebeispiele und extrem weit vorne, was den Einsatz unserer qPCR-Analytik betrifft. In Winterhausen können sie zum Beispiel dank Real-Time-qPCR-Analyse auf den Einsatz von Aluminiumsalzen komplett verzichten. Das spart viel Geld, wir reden von jährlich fünfstelligen Beträgen. Da Winterhausen schon seit Jahren die qPCR-Analytik effektiv einsetzt dürften mittlerweile Kosten im sechsstelligen Bereich eingespart worden sein.
Wie funktioniert das genau?
Es gibt ein Bakterium namens Microthrix parvicella, das Schaum im Abwasser verursacht. Früher wurde Aluminium zugegeben, um das Bakterium wieder loszuwerden. Mit unserer qPCR-Analyse weiß der Betreiber jetzt genau, wann er eingreifen muss. Oft geht der Schaum auch von alleine weg, wenn man bestimmte Grenzwerte nicht überschreitet. Durch einen permanenten Abgleich der Werte lässt sich die Anlage so optimal steuern.
Funktioniert euer Ansatz für alle Kläranlagen gleich?
Jede Kläranlage ist einzigartig. Selbst zwei Becken in derselben Anlage können völlig unterschiedliche Bakterienpopulationen aufweisen. Deswegen braucht es für jede Anlage eine maßgeschneiderte Analyse und Optimierung. Momentan haben wir 31 verschiedene Tests, die wir für Kläranlagen einsetzten können.
Und mit der Entwicklung von Tests verdient ihr dann Geld?
Wir bieten zwei Dienstleistungen an. Zum einen analysieren wir in unserem Labor Proben, die uns von Kläranlagen zugesandt werden. Zum anderen verkaufen wir qPCR-Tests als Produkte an Kläranlagen, die über eigene qPCR-Geräte verfügen. So können sie vor Ort z.B. den kompletten biologischen Stickstoffabbau und andere nützliche und auch schädliche Bakterien überwachen.
Grundsätzlich bietet die Mikrobiologie in Kläranlagen noch viel Potenzial. Ich kann bis zu meinem 80. Lebensjahr qPCRs entwickeln und mir wird nicht langweilig.
Gutes Stichwort. Wo siehst du noch Potenzial für eure Technologie?
Spannend wäre, unsere PCR-Daten mit KI zu analysieren. Das heißt, in den großen Datenmengen Muster zu erkennen und Vorhersagen treffen, die über einzelne Anlagen hinausgehen. Nehmen wir Temperatur und Niederschlag bzw. Trockenheit – all diese Faktoren beeinflussen die Bakterienpopulationen im Abwasser. Möglicherweise lassen sich dank KI universelle Optimierungsstrategien für Kläranlagen weltweit entwickeln.
Eine letzte Frage noch: Woher kommt eigentlich euer Firmenname DyeNA?
Es ist ein Wortspiel. „Dye“ ist Englisch für Farbstoff, und wir verwenden Fluoreszenzfarbstoffe, um DNA sichtbar zu machen. Bei genauer Betrachtung erkennt man in den Großbuchstaben auch „DNA“. Der Name fasst also zusammen, was wir tun: Wir machen DNA mit Farbstoffen sichtbar und messbar.
Clever! Danke dir für diesen Einblick. Weiterhin viel Erfolg für eure Arbeit!